Europäisches Tagebuch, 24.11.2020: Heute vor dreiundzwanzig Jahren starb Barbara Brodi, geboren 1930 als Monique Andrée Serf, bekannt freilich vor allem unter dem Namen, mit dem sie die Chansonsbühnen der Welt eroberte: Barbara.
Ihr Vater Jacques Serf stammte aus dem Elsass, ihre Mutter Esther Brodsky aus Odessa. 1940 floh sie mit ihrer Familie als Juden aus dem von den Deutschen besetzten Teil Frankreichs. Sie konnte schließlich in einer kleinen Landgemeinde im Südosten Frankreichs untertauchen, und erlebte 1944 die Befreiung im Versteck, inzwischen in der Nähe von Paris. Ein Musiklehrer aus der Nachbarschaft hörte sie singen und bald erhielt sie Gesangs- und Klavierunterricht. Ihre ersten musikalischen Auftritte hatte sie in einem Pariser Kabarett , zog bald nach Brüssel wo sie Chansons von Edith Piaf und Juliette Greco sang. Zurück in Paris trat sie auch mit Liedern ihrer neuen Freunde Jacques Brel und Georges Brassens auf.
Anfang Juli 1964, noch vor ihrem großen Durchbruch ein Jahr später, kam Barbara zu einem Gastspiel ans Junge Theater Göttingen. Sie hatte nur zögerlich zugesagt, und schließlich, vielleicht um die Ernsthaftigkeit dieser ersten Einladung aus Deutschland ein wenig auf die Probe zu stellen, darauf bestanden auf einem Flügel zu spielen. Als sie am 4. Juli 1964 die Bühne betrat stand dort jedoch nur ein Pianino. Sie weigerte sich ohne Flügel aufzutreten. Der wurde schließlich von einer alten Dame in Göttingen ausgeliehen und von zehn Studenten durch die Stadt getragen. Mit zweistündiger Verspätung begann das Konzert. Und Barbara blieb eine Woche. Am letzten Tag schrieb sie ein Lied, dass zum melodiösen Symbol des deutsch-französischen Friedens werden sollte, gesungen von einer jüdischen Sängerin: “Göttingen”. 1967, als sie erneut in Göttingen und diesmal in der ausverkauften Stadthalle auftreten sollte, wurde das Konzert in Frankreich live übertragen.
Und hier der Text auf Französisch und auf Deutsch.
Barbara
Göttingen
Bien sûr ce n’est pas la Seine
Ce n’est pas le bois de Vincennes
Mais c’est bien joli quand même
À Göttingen, à Göttingen
Pas de quais et pas de rengaines
Qui se lamentent et qui se traînent
Mais l’amour y fleurit quand même
À Göttingen, à Göttingen
Ils savent mieux que nous je pense
L’histoire de nos rois de France
Herman, Peter, Helga et Hans
À Göttingen
Et que personne ne s’offense
Mais les contes de notre enfance
Il était une fois commence
À Göttingen
Bien sûr nous, nous avons la Seine
Et puis notre bois de Vincennes
Mais Dieu que les roses sont belles
À Göttingen, à Göttingen
Nous, nous avons nos matins blêmes
Et l’âme grise de Verlaine
Eux c’est la mélancolie même
À Göttingen, à Göttingen
Quand ils ne savent rien nous dire
Ils restent…
Göttingen
Gewiß, dort gibt es keine Seine
Und auch den Wald nicht von Vincennes,
Doch gäb’s viel, was zu sagen bliebe
Von Göttingen, von Göttingen
Paris besingt man immer wieder,
Von Göttingen gibt’s keine Lieder,
Und dabei blüht auch dort die Liebe
In Göttingen, in Göttingen.
Mir scheint, wir sind weit schlecht’re Kenner
In punkto “Frankreichs große Männer”
Als Hermann, Helga, Fritz und Franz
In Göttingen.
Hier spielte auch ganz ohne Frage,
Das Märchen uns’rer Kindertage:
“Es war einmal…”, ja wo begann’s?
In Göttingen.
Gewiß, dort gibt es keine Seine
Und auch den Wald nicht von Vincennes,
Doch sah ich nie so schöne Rosen
In Göttingen, in Göttingen
Das Morgengrau ist nicht das gleiche
Wie bei Verlaine, das silbern-bleiche,
Doch traurig stimmt es auch Franzosen
In Göttingen, in Göttingen
Kommt es mit Worten nicht mehr weiter,
Dann weiß es, Lächeln ist gescheiter:
Es kann bei uns noch mehr erreichen,
Das blonde Kind in Göttingen…
Was ich nun sage, das klingt freilich
Für manche Leute unverzeihlich:
Die Kinder sind genau die gleichen
In Paris, wie in Göttingen.
Laßt diese Zeit nie wiederkehren
Und nie mehr Haß die Welt zerstören:
Es wohnen Menschen, die ich liebe,
In Göttingen, in Göttingen
Doch sollten wieder Waffen sprechen,
Es würde mir das Herz zerbrechen!
Wer weiß, was dann noch übrig bliebe
Von Göttingen, von Göttingen.
Es blühen wunderschöne Rosen
In Göttingen, in Göttingen.
Doch sollten wieder Waffen sprechen,
Es würde mir
das Herz zerbrechen!
Wer weiß, was dann noch übrig bliebe
Von Göttingen, von Göttingen.
Wissen Sie, dass Patrick bruel und neuerdings Pomme Version von “Göttingen ”
gesungen haben ? Auch Francis Cabrel erwähnt in einem Chanson Göttingen.
MfG !
Bernhard Setzer