Europäisches Tagebuch, 8.4.2021: In seiner Weihnachtsansprache hat der englische Premier Boris Johnson seinen englischen Landsleuten Fisch versprochen, viel Fisch. Natürlich auch Truthahn, Pudding, Rosenkohl und Brandybutter. Was auch immer zu Weihnachten auf die englische Tafel kommen mag. Aber was bleibt, ist nun wohl wirklich: viel Fisch. Auf dem die Briten nun zum Teil sitzen bleiben.
Schon der Scheidungsvertrag mit der EU hatte die britischen Fischer enttäuscht. Deren Empörung über die europäischen Fischerboote in „ihren“ Gewässern hatte den EU-Austritt Großbritanniens ganz wesentlich befeuert. Und nun sollen sie noch weiterhin die europäischen Invasoren, allen voran belgische, irische, dänische und niederländische Fischer, in ihren Jagdgründen dulden? Immerhin gehörte zum „Deal“ in letzter Minute, dass deren Fangquoten zwar gesenkt aber durchaus nicht abgeschafft würden. „Johnson hat uns die Rechte an allen Fischen versprochen, die in unserer exklusiven Wirtschaftszone schwimmen“, so klagte der Chef des nationalen Verbunds der Fischereiorganisationen (NFFO), Andrew Locker, noch zu Weihnachten sein Leid dem Sender BBC Radio 4. „Aber wir haben nur einen Bruchteil davon erhalten.“
Inzwischen dämmert den britischen Fischern freilich die Erkenntnis, dass ihr Problem nun ein ganz anderes ist: wohin mit „ihrem“ Fisch?
Denn so sehr die Briten vielleicht auch Fish and chips selber mögen, leben tun die britischen Fischer vom europäischen Markt. Und den Zugang zu diesem Markt haben sie sich selber nun deutlich erschwert. Bei einem fragilen Gut wie Fisch kann das fatale Folgen haben, denn der muss schnell aus dem Netz in den Handel. Und genau daran hapert es seit Januar. Ganze Schiffsladungen sind in britischen Häfen verrottet. Die Lieferketten mussten neu organisiert werden, der komplizierte Weg durch den Zoll funktioniert zwar inzwischen leidlich. Aber all das kostet Geld und treibt die Preise in die Höhe – und das ist schlecht für den Absatz des symbolisch kostbarsten, was Großbritannien offenbar zu exportieren in der Lage ist: Fisch. Der droht nun das zu werden, was er politisch immer schon war, ein fauler Fisch.
Dass dies für die britischen Fischer eine Überraschung ist, mag nur denjenigen verwundern, der davon ausgeht, dass Menschen wirklich immer im Sinne ihrer Interessen handeln.
Noch weniger überraschend allerdings beginnt nun auch in Nordirland die Saat des Brexit aufzugehen. Krawalle, Straßenschlachten, verletzte Polizisten, brennende Busse. All das hat lange den Alltag im Norden der irischen Insel geprägt, bis „einst“ (so ist man schon versucht zu sagen) 1998 mit dem Karfreitagsabkommen ein Meilenstein im Friedensprozess zwischen Katholiken und Protestanten erreicht wurde. Schließlich waren Großbritannien und Irland beide in der EU und die Grenzen konnten geöffnet werden, zwischen den Ländern, aber „step by step“ auch innerhalb der gespaltenen nordirischen Gesellschaft. 16.200 Bombenanschläge, 37.000 Fälle von Schusswaffengebrauch, 22.000 Überfälle und 2.200 Brandanschläge waren in den Jahrzehnten des Konflikts von beiden Seiten ausgegangen. 3.600 Menschen starben, 47.000 wurden verletzt.
Nun haben protestantische Gewalttäter pünktlich zu Ostern wieder damit begonnen britische Polizisten zu attackieren und marodierend durch die Straßen zu ziehen, am Brennpunkt der „Grenze“ zwischen protestantischen und katholischen Stadtvierteln. Unter dem Vorwand, gegen die „Zollgrenze“ zwischen Nordirland und Großbritannien zu protestieren. Mit dem Ziel freilich, die alten Grenzen auf der Insel wieder herzustellen. Fortsetzung folgt.
Rückblick, 7.4.2020: In den USA sterben täglich ungefähr 2000 Menschen. US-Präsident Trump macht die WHO für die Corona-Krise verantwortlich und droht damit, die Zahlungen der USA an die WHO einzustellen.
Die EU schickt ein Team aus rumänischen und norwegischen Ärzten und Pflegern nach Mailand und Bergamo. Österreich beteiligt sich mit 3000 Litern Desinfektionsmitteln an dieser Aktion. Deutschland nimmt Patienten aus dem Elsass auf.