Rückblick, 31.8.2020: Die New York Times wirft einen ernüchternden Blick auf den Verlauf der Corona-Pandemie in Belgien. Etwa 9900 Menschen sind in Belgien gestorben. Seit Ende Mai hat das Land, mit seinen elfeinhalb Millionen Einwohnern statistisch gesehen die Pandemie weitgehend im Griff. Doch in der Zeit davor waren die Opferzahlen dramatisch und brachten Belgien an die traurige Spitze der Corona-Sterblichkeit in Europa. Mehr als 5700 der Toten waren Bewohner von Altenheimen. Während im März viele von ihnen in Krankenhäusern starben, wurden im April nur noch wenige von ihnen in Hospitälern aufgenommen. Die meisten schickte man mit positivem Covid-19 Befund von dort zurück oder nahm sie gar nicht erst auf, jedenfalls wenn sie älter als 75 Jahre waren. Manchmal genügte ein alter von 65, um keine Spitalsbehandlung mehr zu bekommen. Und dies obwohl die Krankenhäuser keineswegs am Rande ihrer Kapazitäten waren. Und dies obwohl nicht nur die Krankenhäuser anfangs unter Mangel an Schutzausrüstung litten, sondern erst recht die Altenheime des Landes lange Zeit fast ohne jede Schutzausrüstung auskommen mussten.
Die Frage, wie es zu dieser humanitären Katastrophe in einem reichen europäischen Land, dem Land der europäischen Hauptstadt, kommen konnte, wird nicht leicht zu beantworten sein. Belgien ist jedenfalls ein Land, das sich an Euthanasie als Lösung für das Ende des Lebens gewöhnt hat. Sogar bei jungen, psychisch Kranken, die Todeswünsche äußern, ist Sterbehilfe in Belgien erlaubt. Warum also soll man das Gesundheitssystem mit älteren Coronapatienten belasten? Belgien ist zugleich ein zerrissenes Land, in dem die beiden konkurrierenden „Nationalitäten“ dafür gesorgt haben, dass parallel agierende Behörden und Parlamente das Vertrauen in die Zentralregierung unterminieren und Grauzonen klientelistischer Korruption geschaffen haben.