Europäisches Tagebuch, 7.9.2020: Auf die EU kommt ein ernster „Machtkampf“ zu. Das Europäische Parlament, also das einzige europäische Organ, das über eine europäisch-demokratische Legitimation verfügt, will sich dem Diktat der Regierungschefs nicht beugen. Das vollmundig verkündete Konjunkturpaket von 750 Milliarden Euro zur Eindämmung der Folgen der Corona-Pandemie, dass die EU-Kommission im Juli ausverhandelt hat, stand von Beginn an unter einem schlechten Stern: die Einigung der Kommissionsmehrheit mit den knausrigen vier, dann fünf EU-Staaten um Österreich und die Niederlanden wurde mit massiven Kürzungen im EU-Haushalt an anderer Stelle erkauft. Damit wollen sich die EU-Parlamentarier vieler Fraktionen keineswegs abfinden. So soll ausgerechnet das Programm „EU4Health“, das den Schutz vor grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren schützen und bezahlbare Medikamente besser verfügbar machen soll, von 9,4 Milliarden auf 1,7 Milliarden Euro gekürzt werden. Gemeinsame Programme für Forschung, Bildung, Klimaschutz und Digitalisierung sollen ebenfalls gekürzt werden. Und damit der Spielraum für grenzüberschreitende Zusammenarbeit eingeschränkt statt ausgeweitet werden. Europäisch gesinnte Abgeordnete der Grünen, der Sozialdemokraten, der Liberalen aber auch der konservativen Volkspartei aus verschiedenen Ländern sind durchaus bereit, vom Vetorecht des Parlaments Gebrauch zu machen. Der Grüne Abgeordnete Rasmus Andresen bringt die Möglichkeit ins Spiel, nur das Hilfspaket, nicht aber den Haushalt in dieser Form zu verabschieden, um den Druck nun in die andere Richtung zu erhöhen. Dazu gehört auch, ernsthaftere Sanktionen gegen solche Mitgliedsländer in den Budgetvollzug zu schreiben, die gegen rechtsstaatliche Standards verstoßen. Die EU-Parlamentarier verlangen außerdem, endlich ernsthaft die Eigeneinnahmen der EU zu erhöhen, durch eine wirksame Plastiksteuer, durch Digitalsteuern oder die Besteuerung von grenzüberschreitenden Gewinnen der Technologie-Riesen.
Dem EU-Parlament und der Kommission stehen noch schwierige Verhandlungen bevor. Das Bedürfnis des EU-Parlaments, von den „sparsamen“ Regierungschefs wird herumschubsen lassen, ist enden wollend. Selbst die „türkisen“ Abgeordneten aus Österreich haben in der Vergangenheit nicht gerade große Begeisterung über die Europa-feindliche Linie der österreichischen Regierung gezeigt. Aber man wird noch sehen ob den Worten z.B. eines Othmar Karas nun auch Taten folgen werden.