Europäisches Tagebuch, 30.1.2020: Fünf Tage nach dem grandios inszenierten Holocaust-Gedenken in Yad Vashem zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz standen der amerikanische Präsident und der israelische Ministerpräsident, nun im Weißen Haus in Washington, vorgestern erneut gemeinsam vor den Kameras und verkündeten den „größten Friedensplan aller Zeiten“.
„Ich bin nicht gewählt worden, um mich mit Kleinigkeiten abzugeben oder großen Problemen auszuweichen“, sagt Donald Trump und präsentiert, nach eigenen Worten, die „letzte Hoffnung der Palästinenser auf einen eigenen Staat“. Auf 80 Seiten hat sein Schwiegersohn Jared Kushner diesen „eigenen Staat“ detailliert zu Papier gebracht. Ein „Win-Win“ wie Trump und Netanjahu überzeugt sind. Was zweifellos ihre eigenen Hoffnungen darauf widerspiegelt ihre bevorstehenden Wahlen in diesem Jahr zu gewinnen.
Die präsentierten Karten zeigen allerdings etwas, das nicht einmal mit größter Fantasie als „palästinensischer Staat“ identifiziert werden könnte. Der „größte Friedensplan aller Zeiten“ weist den Palästinensern einen Flickenteppich von Reservaten zu, die von israelischen Straßen und Gebietsstreifen durchzogen wird. Diese Reservate im Westjordanland und in der Negev-Wüste sollen zugleich durch Straßen, Brücken und Tunnels miteinander verbunden werden und durch checkpoints voneinander getrennt bleiben. Das Jordantal soll vollständig von Israel annektiert werden. Innerhalb des „palästinensischen Staates“ sollen israelische Enklaven direkt unter militärischer Kontrolle Israels bleiben, während der „palästinensische Staat“ demilitarisiert, also weiterhin indirekt unter militärischer Kontrolle Israel verbleibt.
Jerusalem soll vollständig israelisches Staatsgebiet werden, während dem „palästinensischen Staat“ eine symbolische Hauptstadt innerhalb Jerusalem zugestanden werden soll. Was auch immer das sein mag. Vermutlich ein Büro.
Der Vergleich mit der südafrikanischen Erfindung der „Bantustans“ drängt sich irgendwie auf.
Dafür sollen „die Palästinenser“ dafür 50 Milliarden Dollar Aufbauhilfe bekommen. Die Baukosten für die Tunnels, Brücken und Straßen, die jederzeit von Israel zugesperrt werden können, dürften ungefähr so viel betragen.
Natürlich hat dieser Friedensplan keinerlei Chancen auf Realisierung. Jedenfalls nicht als “Friedensplan”. Als Blaupause für weitere Annexionen und für den weiteren Bau von Mauern, israelischen Straßen und Checkpoints in der Westbank vermutlich schon. Aber auch die einseitige Annexion des Jordantales, von der israelischen Rechten schon lange gefordert, bereitet selbst Netanjahu durchaus Bauchschmerzen. Denn mit einem hat Trump Recht. Nach diesem Friedensplan ist es mit den Hoffnungen der Palästinenser auf einen „eigenen Staat“ tatsächlich für jeden ersichtlich aus und vorbei.
Nur redet man nicht gerne darüber, was das heißt.
Schon gar nicht die Europäische Union, die nicht zur Kenntnis nehmen will, dass die „Zwei-Staaten-Lösung“ schon lange mausetot ist und nur noch auf ein Begräbnis dritter Klasse wartet. EU-Außenbeauftragter Joseph Borrel mag zum „größten Friedensplan“ selbst gar nichts sagen. Und dieses Nichts klingt so: Die EU stehe „fest und einig“ hinter einer zwischen Israel und den Palästinensern „verhandelten und realisierbaren Zweistaatenlösung“. Aha.
Was bleibt nach dem Trumpschen Friedensplan und dem Ende der Zwei-Staaten-Illusion? Die schleichende Verwandlung Israels in einen Apartheid-Staat oder die Vertreibung der Palästinenser? Die freilich wohl auf einen Krieg hinauslaufen würde. Die Träume palästinensischer Radikaler von der Vernichtung Israels hingegen, sie bleiben – angesichts von Israels realer militärischer Stärke – eine Fantasie der Propaganda. Nützlich für die Falken auf beiden Seiten. “Nur ein paar Spinner“ wollen hingegen über das einzige Reden, über das es sich im Grunde jetzt noch zu reden lohnt: über die Frage, wie man zu einen gemeinsamen Staat zwischen dem Jordan und dem Meer kommen kann, der die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger schützt.
Ach ja, und natürlich haben sich auch der österreichische Kanzler und sein Schallenberg geäußert. „Wir begrüßen, dass sich die USA und Präsident Trump in einem der schwierigsten Konflikte der internationalen Politik mit konkreten Vorschlägen einbringen.“ Aha.
Hier ein paar Versuche, den “GröFaZ” grafisch darzustellen. Eine echte Herausforderung für Geografen.
Donald Trump als “Mr. President” ist Geschichte und mit ihm höchstwahrscheinlich auch sein (und Mr. Kushners) “Trump Plan”. Und wie’s mit Mr. Netanjahu weitergeht, wird die kommende Wahl weisen.
Ergänzung: Für ihren “Trump-Plan” wurden Trump und Kushner jetzt für den Friedensnobelpreis nominiert: So sieht also “Frieden” aus!