Alle EU-Staaten sind Mitglieder der Vereinten Nationen, der United Nations. Als globale Organisation, sieht die UN ihre Aufgabe hauptsächlich in der Friedenssicherung, der Welternährung und der Menschenrechtspolitik. Seit 1951 gilt die Völkermordkonvention der UN, die „Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide“, die eng mit den europäischen Katastrophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbunden ist.
Der Begriff „Genozid“ wurde 1944 von Raphael Lemkin (1900-1959) geprägt. Schon in den 1920er Jahren ließ ihn der Völkermord an den Armeniern nicht los. Als er erfuhr, dass der ehemalige türkische Innenminister Talaat Pascha wegen seiner Verantwortung für die Verbrechen an den Armeniern im Exil in Deutschland nicht von Armeniern angeklagt werden konnte, begann Lemkin, sich mit dem Völkerrecht zu beschäftigen. Bereits 1933 versuchte er erfolglos, Vertreter des Völkerbunds von einer internationalen Konvention gegen Genozid zu überzeugen. Der aus der Region um Wilna stammende Lemkin floh nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs von Warschau über Schweden in die USA. Die meisten seiner Familienmitglieder wurden als Juden ermordet.
Unermüdlich bemühte er sich um die Aufmerksamkeit der Alliierten für den Völkermord an den europäischen Juden. Nach Kriegsende kämpfte er für die Einführung des Rechtsbegriffs „Genozid“, der entsprechende Verbrechen als völkerrechtswidrigen Tatbestand erfasst. 1948 wurde Genozid nach der von Lemkin übernommenen Definition in das Völkerstrafrecht aufgenommen. Genozid ist demnach „durch die Absicht gekennzeichnet“, „auf direkte oder indirekte Weise eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.
^ ID-Karte Raphael Lemkin für das Kriegsministerium © American Jewish Historical Society
< Armenische Bevölkerung flieht vor türkischen Massakern in Anatolien, 1915, © epd-bild/akg-images/Pictures From History
> Die verzweifelte Nedžiba Salihović aus Srebrenica und UN-Soldaten in einem Flüchtlingslager in Tuzla, Bosnien, 17. Juli 1995, © Ron Haviv/VII/Redux/aif
Im Rahmen der Jugoslawienkriege kam es zwischen April 1992 und Dezember 1995 aufgrund der Unabhängigkeitsbestrebungen der jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina zum sogenannten Bosnienkrieg. Es bekämpften einander die Armee der Republik Bosnien-Herzegowina, die Streitkräfte der Republik Kroatien und die Jugoslawische Volksarmee im Verbund mit der Armee der neu ausgerufenen Republika Srpska. Aus Furcht vor ethnischen Säuberungen richtete der Sicherheitsrat der UN eine Schutzzone um das ostbosnische Srebrenica in der heutigen Republika Srpska ein und entsendete UN-Friedenstruppen in die Region. Die holländischen Blauhelme Dutchbat griffen – nach eigener Aussage wegen Unterbesetzung und mangelnder Ausrüstung – nicht ein, als im Juli 1995 serbische Milizionäre in der Gegend um Srebrenica rund 8.000 muslimische Bosniaken ermordeten. Ein Genozid vor den Augen der UN.
Aleida Assmann (Konstanz) über Raphael Lemkin, Hersch Lauterpacht, Rene Cassin und die Ächtung des Völkermords: