Vortrag und Gespräch mit Prof. Dr. Michael Miller, Budapest/Wien (auf Englisch)
Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, Gründer der Paneuropa-Union, war eine schillernde Figur: Aristokrat, Kosmopolit und leidenschaftlicher Gegner des Antisemitismus. Die Paneuropa-Union, die ein Europa ohne Grenzen imaginierte, hatte – neben so manchen nach neuer Orientierung suchenden Angehörigen des Adels – zahlreiche Juden unter ihren Mitgliedern, die sich von der Idee eines toleranten, brüderlichen Europas angezogen fühlten. Und dies obwohl sich die Paneuropa-Union als christliche Bewegung verstand. Michael Miller beschäftigt sich in seinem Vortrag mit der Paneuropa-Union der Zwischenkriegszeit, ihrer Anziehungskraft für Juden, ihrer Auseinandersetzung mit der damaligen Judenfrage und ihrer Befürwortung von Pazifismus und transnationalem Ausgleich. Am Ende stand die Paneuropa-Union auf verlorenem Posten – und wurde zugleich zum Wegbereiter der Europäischen Union nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs.
Michael Miller leitet das Nationalismusstudien-Programm an der Central European University in Wien/Budapest und unterrichtet dort auch im Programm Jüdische Studien. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Wirkung der Nationalitätenkonflikte auf die religiöse, kulturelle und politische Entwicklung jüdischer Gemeinden in Osteuropa. Miller ist Gründungsmitglied des International Consortium für Research on Antisemitism and Racism. 2011 erschien sein Buch Rabbis and Revolution: the Jews of Moravia in the Age of Emancipation. Derzeit arbeitet er an einer Geschichte der ungarischen Juden.