Reisewarnungen

Europäisches Tagebuch, 8.10.2020: Berlin warnt vor Reisen nach Wien und Vorarlberg, München warnt jetzt vor Reisen nach Berlin und vor Berlinern auf Reisen, Wien warnt vor Reisen nach Serbien, Norwegen warnt vor Österreich, die Schweiz warnt vor Reisen nach Wien, Prag ist auf der roten Liste, Frankfurt jetzt auch, und zwischen Frankfurt und Madrid geht gar nichts, obwohl Madrid und Frankfurt beide rot sind. Und Frankreich? Der Westen der Schweiz hat bald die selben Zahlen, aber vor der Schweiz kann man doch nicht warnen. Nach Israel durfte man von Österreich noch reisen, als dort schon der nächste Lockdown beschlossen war. Aber Kroatien ging gar nicht. Tschechien ist hingegen zum Teil noch von Österreich aus zu bereisen, obwohl die Werte dort in die Höhe schnellen? Oder fallen sie gerade wieder? Auch Italien ist im Moment von Österreich aus noch erreichbar. Aber kommt man von dort auch zurück? Und der kleine Grenzverkehr?
Das Regime der Reisewarnungen und Risikoregionen ist nicht mehr zu überblicken. Oder genauer: keiner kennt sich mehr aus.
Wo komme ich mit einem Quarantäne-Test noch hin, oder zum Familienbesuch, oder als Berufspendler. Und überhaupt, was ist ein Berufspendler?

Ist in all den Monaten irgendwann jemand auf die Idee gekommen, man könnte in der EU vielleicht mit einheitlichen Maßnahmen zur Eindämmung von Corona mehr Sicherheit schaffen? Statt nationalen Zehnkampf in Disziplinen zu betreiben, die man inzwischen kennt? Warum müssen die Österreicher die Maskenpflicht abschaffen und die Italiener behalten sie, warum kommen die Wiener jetzt erst darauf, Gäste in Kneipen um Kontaktdaten zu bitten? Das machen die Deutschen schon lange. Warum soll man in Vorarlberg das Trinken um 22.00 nach Hause verlegen? Wäre mit mehr europaweiter Übersichtlichkeit der Maßnahmen auch mehr Klarheit in das Verwirrspiel der Reisewarnungen zu bringen? Oder ist das Chaos in Wirklichkeit ein cleveres System? Nach dem Prinzip: umso mehr Verwirrung, um so weniger Mobilität?