Europäisches Tagebuch, 23.9.2020:
Die EU-Kommission unternimmt einen neuen Anlauf, die Asylpolitik der verschiedenen Mitgliedsländer zu koordinieren. Das grenzt angesichts der Haltung einiger Staaten schon an den Mut der Verzweiflung. Die Deutsche Welle berichtet unverdrossen: „Der Brand im Flüchtlingscamp Moria und die menschenunwürdigen Zustände auf Lesbos geben der Debatte “neuen Schwung” meinen EU-Beamte in Brüssel. Die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hat angekündigt, dass das alte System, auch Dublin-Regeln genannt, durch etwas Neues ersetzt werden soll. Eine Verpflichtung für EU-Staaten, Flüchtlinge oder Asylbewerber aufzunehmen, wird wohl nicht enthalten sein, weil viele Mitgliedsstaaten dies schlicht verweigern würden.“
Mittlerweile hat Deutschland seine neue Zahl von 1500 schon ein kleine wenig relativiert. Hiermit sind nicht nur Menschen aus Moria gemeint, sondern von verschiedenen griechischen Inseln. Doch dort herrschen ja auch die gleichen unmenschlichen Bedingungen, die auf Lesbos zur Explosion geführt haben. Aber es bleibt trotzdem zusätzlich bei der schon angekündigten Aufnahme von 150 Kindern und Jugendlichen aus Moria. Frankreich nimmt ebenfalls 150, Italien immerhin 300 Menschen auf. Die Niederlande hingegen schummeln. Sie kündigen die Aufnahme von 100 Menschen aus Moria an – und vermindern um diese Zahl allerdings ihr UN-Kontingent. So kann man sich und die Welt auch belügen. Und Finnland nimmt 12 Jugendliche auf. Na denn.
Doch die EU-Kommission will nun über einen neuen „Migrations-Pakt“ reden. Das alte Dublin-System solle überwunden werden, kündigt EU-Kommissar Schinas an, meldet die Deutsche Welle: „Künftig könnten die Mitgliedstaaten wählen, ob sie Asylbewerber aufnehmen wollen oder lieber bei der Rückführung und Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern helfen wollen.“ Kommissionpräsidentin von der Leyen legt nach. Dieses System solle verpflichtend sein. Staaten wie Ungarn, Polen (oder Österreich), die sich an der Aufnahme von Flüchtlingen nicht beteiligen, sollen dann in Zukunft deren Rückführung organisieren. Und sich dabei an alle internationalen Vorschriften halten. Etwas, wofür diese zunehmend autoritär und illiberal regierten Staaten ja allgemein besonders bekannt sind. Aber auch die EU-Kommission hat nun offenbar auf Sarkasmus umgeschaltet, und nennt ihren neuen Vorschlag „Rückführungs-Patenschaften“. Nein, im Kalender nachschauen klärt das auch nicht auf. Heute ist nicht der 1. April.