Europäisches Tagebuch, 23.3.2021: Offenbar hat sich Österreichs Bundeskanzler Kurz nun ganz und gar verrannt. Hier die aktuelle Zusammenfassung einer Woche österreichischer Eigentore. Eines grotesker als das andere.
Vor nicht ganz zwei Wochen hat Kurz einen „europäischen Skandal“ verkündet. Mit dem Blick auf den unterschiedlichen Impffortschritt in verschiedenen EU-Staaten war zu erkennen, dass einige Staaten schneller unterwegs waren als andere. Und das lag tatsächlich, an unterschiedlichen Liefermengen. Kurz brachte das mit einem angeblichen „Basar“ in Verbindung, der manche Länder bevorzugt hätte. Der Vorwurf stand kaum einen halben Tag im Raum, da war er auch schon als Propagandalüge entlarvt. Denn die unterschiedlichen Liefermengen hatten einen einfachen Grund. Manche Staaten wollten mehr vom teureren Biontech, andere mehr vom billigeren Astra Zeneca-Vakzin. Und dann gab es die bekannten Lieferprobleme bei Astra Zeneca. Das Ergebnis kann man sich selbst ausrechnen.
Schnell wurde auch klar, dass es nicht zuletzt Regierungen mit einer – wie soll man es sagen – ausgeprägten „EU-Skepsis“ (z.B. die österreichische) waren, die verhindert hatten, dass die EU-Kommission die Impfstoffe einfach gleichmäßig nach Bevölkerungszahl verteilt. Nein, man wollte selbst bestimmen, wer wieviel von welchen Impfstoff bezog.
Österreich befand sich auf der Gesamtbilanz der Lieferungen übrigens zufällig genau in der Mitte. Im Vergleich mit den anderen Ländern hatte Österreich nicht zu wenig und nicht zu viel erhalten.
Doch dann platzte das nächste Bömbchen. Dem Kanzler kam zu Ohren, dass der österreichische Vertreter im Steuerungsgremium der EU offenbar eine Gelegenheit ausgelassen hatte, sich ein paar Zusatzbestellungen zu sichern. Dass Kurz davon nichts gewusst haben wollte, veranlasste den ansonsten so abgeklärt-ruhigen Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im Österreichischen Rundfunk die Frage zu stellen, was „Kanzler Kurz beruflich eigentlich so macht“. Nun saß der „Schuldige, ein altes ÖVP-Urgestein, passenderweise im grünen Gesundheitsministerium, was dem Kanzler Gelegenheit bot, den gerade krankheitshalber verhinderten Gesundheitsminister öffentlich vorzuführen. Und selber damit gar nichts zu tun zu haben. All das, ohne dass jemand aufgefallen wäre, dass zwischen „bestellen“ und „liefern“ inzwischen eine signifikante Lücke klafft. Oder mit anderen Worten: Hätte Clemens Martin Auer seine Zusatzbestellung abgegeben, wären wohl auf absehbare Zeit auch nicht mehr Impfstoffe in Österreich angekommen. Bestellt sind nämlich inzwischen eh schon mehr Vakzine, als Österreich braucht.
Nachdem auch dieser „Skandal“ sich schneller in Luft aufgelöst hat, als man dabei zusehen konnte, schwang sich Kurz zum Fürsprecher der „zu Kurz gekommenen“ auf und verlangte kategorisch einen EU-Gipfel. Der allerdings sowieso vor der Tür stand.
Angesichts der tatsächlich ungleichen Liefermengen, von denen einige osteuropäische Staaten, wie Bulgarien, Kroatien oder Litauen betroffen sind, hat die EU-Kommission nun ihrerseits Taten zeigen wollen. Und verkündete einen Verhandlungserfolg mit Biontech.
10 Millionen Dosen sollen nun aus dem Herbst vorgezogen werden und besonders den schlechter versorgten Ländern zu Gute kommen, auch wenn diese an ihrer Malaise im Grunde selber Schuld sein mögen. Aber was tut man nicht, um die Gemüter zu beruhigen.
Kaum erschien dieser warme Regen an zusätzlichen Dosen am Horizont wechselte der österreichische Kanzler erneut das Hemd und verkündete stolz, dass Österreich (bislang weder benachteiligt noch bevorteilt) aus diesen neuen Lieferungen 400.000 zustehen würden und ließ sich dafür gleich einmal feiern. Doch auch diese Feier währte nur kurz. Schließlich würde sich Österreich damit auf Kosten der bislang Benachteiligten nun seinerseits bereichern. Die Ansage aus Brüssel, aber auch aus anderen EU-Ländern, ließ nicht lange auf sich warten. Österreich soll mal im Moment exakt Null zusätzliche Dosen erwarten. Nun steht der österreichische Kanzler vor dem Scherbenhaufen seines eigenen Skandals. Und droht mit einem Veto.
Immerhin ist es ihm damit gelungen von Dingen abzulenken, die seiner Anti-EU-Rhetorik wirklich in die Quere hätte kommen können. Der Skandal und Hygiene Austria und andere Probleme mit der “Message Control”. Und dann noch die südafrikanische Mutation in Tirol. Ganz und gar nicht bürokratisch hatte die EU auf den Hotspot der südafrikanischen Mutation in Tirol reagiert. Und den Bezirk Schwaz mit einer großzügigen Notversorgung mit Impfstoffen aus der Krise geführt. Das will natürlich nun auch jeder haben. Aber diese tatsächliche Bevorzugung Österreichs hat sich wirklich nicht dazu geeignet, in Österreich mit EU feindlicher Propaganda zu punkten. Dieses Problem hat Kurz jedenfalls kurzfristig aus dem Weg geräumt.
Rückblick, 23.3.2020: Zwei Boeing der Fluggesellschaft AUA fliegen 130 Tonnen medizinisches Schutzmaterial aus China für Tirol und Südtirol ein. Die Luftbrücke wird unter großer Medienaufmerksamkeit als spektakulärer Erfolg von Kanzler Kurz und Südtirols Landeshauptmann Kompatscher gefeiert. Auch der Bergsportausrüster Oberalp Group lässt sich für die Hilfsaktion feiern. Insgesamt sollen 20 Millionen Schutzmasken geliefert werden. Wenig später stellen sich die gelieferten Schutzmasken allerdings als weitgehend unbrauchbar heraus. Zertifikate, ohne die die Ware gar nicht hätte eingeführt werden dürfen, fehlen völlig. Nur 1,7 Millionen Masken von 20 Millionen, die schon bezahlt sind, werden schließlich überhaupt ausgeliefert.
Ebenfalls am 23.3.2020: Die EU-Kommission bittet die Mitgliedstaaten durch die Einrichtung von Green Lanes mit Vorrang für den Frachtverkehr für die Aufrechterhaltung des Warenfluss innerhalb der EU zu sorgen, angesichts drohender weiterer Grenzsperren, die zu Lieferengpässen lebenswichtiger Güter führen könnten.
Herr Kurz ist ein Minderleister und den Anforderungen, die das Amt an ihn stellt, nicht gewachsen. Von seinem Versagen will er durch Schuldzuweisungen an Andere ablenken. Das disqualifiziert ihn für eine öffentliche Aufgabe im Dienst der Allgemeinheit völlig, denn er denkt nur an sich und sein eigenes “Fortkommen”, im wahrsten Sinn des Wortes: Er flüchtet vor der Verantwortung. So ein Mensch kann kein Beispiel und Vorbild sein!